Eine Elbe-Tour von Wittenberge nach Boizenburg

2010 bin ich mit dem Rad Elbe aufwärts durch die Elbtalaue gefahren. Schon damals dachte ich, paddeln wäre hier mal herrlich. Denn das Biosphärenreservat ist eine immer noch ursprüngliche Flusslandschaft. Vor allem im mittleren Elbeverlauf durchpaddelt man ein geschlossenes Naturschutzgebiet, das als der artenreichste Lebensraum Mitteleuropas gilt.

 

 

6 Jahre später ist es dann soweit. Schnell haben sich Mitpaddler gefunden, die erstens ebenfalls diese Tour machen wollen, schon mal Paddelerfahrung mit der Elbe gemacht hatten und zweitens die bevorstehenden 100 km nicht scheuen würden. Kurzerhand treffen wir uns eines morgens hinter dem Elbdeich in Boizenburg, um ein Auto abzustellen, umzuladen und dann die 2 Stunden mit 70 km/h (schneller geht`s wirklich nicht) durch die „Mepopa“ (Meckpompampa) nach Wittenberge zu fahren. Die Altstadt von Wittenberge ist in Form eines Schiffes gebaut und ist, sowie der Uhrenturm (das Wahrzeichen der Stadt auf dem ehemaligen Gelände des Singer Nähmaschinenwerkes einer der größten Turmuhren auf dem europäischen Festland) sehenswert. Endlich angekommen stellen wir den PKW am Sportboothafen „Nedwighafen“ in Nähe der Gaststätte „Zum Fährmann“ ab. Ganz wohl ist mir ehrlicherweise nicht, denn der liegt schon sehr einsam. Urlauber oder Besucher: Fehlanzeige. Dafür wird man mit einer prima Einstiegstelle belohnt, und man kann im Gasthaus auch mal aufs Klo. Etwas unschlüssig stehen wir dann nach dem Beladen der Boote am Ufer und schauen auf die tiefhängenden Wolken. Aber jetzt geht´s endlich in die Boote, getreu dem Spruch „Paddler Herz kennt keinen Schmerz“. Es gibt so gut wie keine Campingplätze oder Kanu-Vereine nahe am Wasser, die für Paddler gut zu erreichen sind, und das Biosphärenreservat Elbtalaue ist weitgehend Naturschutzgebiet, weswegen freies Zelten fast unmöglich ist. Recht gut machbar ist aber (man melde sich besser vorher an) die Übernachtung in den Sportboothäfen. Bei den Clubs wird man dort auch als Paddler freundlich aufgenommen und es ist preiswert. Manchmal sogar recht komfortabel.

 

Mit gut 6-7 km/h Strom geht es nun 21 km Elbe abwärts bis zum Schutzhafen Schnackenburg. In Schnackenburg legen wir links neben dem Fähranleger an und karren unsere Boote mit dem mitgenommenen Bootswagen gut 300 m durch den Ort zum Gelände der Schnackenburger Bootsfreunde. Das Gelände liegt oberhalb des Deiches. Auf einer winzig kleinen Zeltwiese, wir können gerade zwei Zelte unterbringen, schlagen wir unser Lager auf. Das Vereinshaus ist ganz passabel und notfalls kann man darin übernachten. In Schnackenburg als Grenzort zum ehemaligen Osten ist die Zeit, obwohl schon immer im Westen liegend, quasi stehen geblieben. Man hat hier kaum investiert und vieles ist alt und teilweise verfallen. Aber einen Lichtblick gibt es. Im Café „Felicitas“ isst man recht gut und preiswert, incl freundliche Bedienung. Ein Tipp: das Grenzlandmuseum am Markt. Leider ist es heute geschlossen. Wir begleichen unseren Campingobolus bei der Hafenmeisterin, Frau Maruschke und gehen die 30 km bis Dömitz an. Kein Problem, da es ja mit dem Strom zügig abwärts geht. Das Wetter hat sich auch deutlich gebessert und das macht es nochmal schöner. Die Elbtalaue ist sehr einsam und wildromantisch. Wir passieren die Sandbank „Böser Ort“. Viele Sandbuchten laden zum Verweilen oder Baden ein, keine Straße, keinerlei Autolärm stört die unwirkliche Ruhe. Irgendwie ist man im falschen Film. Dank an die Elbe als jahrelange innerdeutsche Grenzfunktion. Der Schiffsverkehr beschränkt sich hauptsächlich auf ein paar Sportboote und ab und an mal einen Frachter. Am Grippelner Haken ist das Elbefahrwasser sehr flach. Die Frachter fahren einen abenteuerlichen Zickzack-Kurs und man muss als Paddler hier höllisch aufpassen, durch die Wellen nicht umgeworfen zu werden. Aber sonst sind wir alleine auf dem Wasser. Hier in dieser Gegend gibt es noch faszinierenderweise Weisskopfseeadler und ein Kuckuck hat uns kilometerlang - bis ihm die Puste ausgeht - begleitet. In Dömitz biegen wir in die Müritz-Elbe-Wasserstraße ein, die wir bis zur Schleuse fahren. Gott sei Dank gibt es eine Funkverbindung zur Schleusenwärterin. Somit ersparen wir uns die Bootsschlepperei zum Wassersportzentrum Dömitz, eine herbe Trageaktion ist einem dann sicher. Nach einer halben Stunde Schleusung ziehen wir zu unserem Zeltplatz neben dem Bootshafen. Rechts hinter der Schleuse gibt es zwar einen privaten Kanu-Club, der hat aber keine sanitären Anlagen, keinen Strom, kein Nichts. Schlecht für die Mädels. Also nutzen wir das Wassersportzentrum in Dömitz, das für Paddler ideal liegt. Der Hafenmeister, Heinz Grezella, kassiert die Zeltgebühren und wünscht uns einen guten Aufenthalt. Wir bauen die Zelte auf und entschließen uns zu einer ausgiebigen „Alt“ Stadtwanderung (wo ist nur mein Soli geblieben) und einen Kurzbesuch an der Festung Dömitz. Nach einem ausgiebigen Abendbrot im „Elb-Cafe“ liegen wir bald in den Zelten. Was für eine jovle Tour!

Der dritte Tag bricht an und nach dem Packen und einem kräftigen Frühstück geht es in die Boote. Wieder durch die Schleuse (dem Erfinder der Schleusentechnik sei Dank) sind wir bald wieder auf der Elbe. Wir rechnen wegen des langen Wochenendes mit mehr Paddlern auf der Elbe. Aber wir sind wieder ganz unter uns. Die kommenden 30 km haben es in sich. Bis zu unserem Zeltplatz in Neu Darchau paddeln wir ab Hitzacker fast 15 km schnurgeradeaus. Das geht in die Arme und nimmt fast kein Ende. Jetzt treffen wir aber doch noch auf (fast) Gleichgesinnte - auf motorbetriebene, schwimmfähige Blockhütten. Gott sei Dank haben wir keinen nennenswerten Gegenwind, paddeln wir doch fast gegen Westen. Hitzacker gehört zu den attraktivsten Stadtensembles entlang der „Deutschen Fachwerkstraße“, wo man die verschiedenen Arten der fachwerkgeprägten Baukultur sehen kann. Endlich sind wir am Zeltplatz „Elbufer“, einer der wenigen Zeltplätze an der Elbe, angekommen und haben die Boote zu unserem Lagerplatz auf einer schönen Wiese gerollert. Jetzt Zelte aufbauen, frisch machen und etwas zu futtern organisieren. Gott sei Dank gibt es in der Campinggaststätte heute etwas vom Grill und das ein oder andere lecker Pils, wovon wir gerne nehmen. Komisch: „Die Abende sind irgendwie kurz“. Na dann Gute Nacht. Auf diesem gesamten Streckenteil gibt es keine Seilfähren mehr. Diese trifft man weiter oberhalb zwischen Magdeburg und Havelberg noch an. Für Paddler kann es dort zu heiklen Situationen kommen, wenn man sich nicht vorher über die Regeln zum Passieren der Fähren informiert hat. Am letzten Tag geht es vorbei an Bleckede und Radegast nach Boizenburg, unserem Endziel. Die letzten 25 km schaffen wir zügig bis zum Mittag. Wir passieren den Radegaster Haken, eine größere Sandbank und Engstelle in der Elbe. Von hier aus schwingen wir an der großen Bake in den Hafenkanal ein und paddeln bis zur Slipanlage am Elbe Bootshaus. 100 km geschafft! Wir sind am Ziel. Jetzt geht es mit dem vorgebrachten Auto noch mal 2 Stunden hin und 2 Stunden zurück durch die „Mepopa“, um das zweite Auto zu holen. Für die wartenden Paddler lohnt sich ein Besuch des Fliesenmuseums. Zurück in Boizenburg packen wir dann auf der kleinen Wiese neben der Slipanlage in aller Ruhe die Autos und haben sogar noch etwas Zeit, um eine Kleinigkeit im nahen Gasthaus zu essen. Um den Hafen herum geht gerade ein Straßenfest zu Ende. Das haben wir bei der Anreise total übersehen und nicht kalkuliert, damit ist unser Rückweg aus dem Hafengebiet versperrt. Aber das Glück ist mit den Paddlern, die Kirmesbuden werden langsam abgezogen und wir können ohne Umwege unsere Rückfahrt antreten. Die Rückfahrt ist wegen des langen Wochenendes nicht so dolle, es dauert ewig. Gegen Mitternacht sind wir dann zu Hause. Beim nächsten Mal planen wir mehr Zeit für die Rückreise ein. Vielleicht einen Tag mehr. Unser Fazit fällt extrem positiv aus. Wer in einer absolut ursprünglichen, einsamen und fast menschenleeren Flusslandschaft ein paar erholsame Paddeltage verbringen möchte, wird begeistert sein.

Erlebt, gepaddelt und geschrieben von Berthold Winkelmann